„Ich finde, dass man EPU weder mit Arbeitgeberunternehmen noch mit Angestellten vergleichen kann. EPU und auch Firmen mit drei oder vier Leuten, also Kleinstunternehmen, haben ihre ganz eigenen Nöte. Und das will unser starres Sozialpartnersystem, in dem es nur Arbeitgeberbetriebe und Arbeitnehmer/innen geben dürfen soll, einfach nicht ,kapieren‘. Man versucht, die EPU für dieses – für sie nicht passende – System zuzurichten, anstatt das System an die EPU anzupassen.“ (Gabriela Harmtodt, Amica delle SVA)
Neue Arbeitswelt, altes System
Die EPU (Ein-Person-Unternehmen) sind nicht das alleinige Thema der Amici delle SVA, und auch längst nicht das Hauptthema dieser Podiumsdiskussion. Aber sie sind ein wichtiger Marker in der gegenwärtigen Arbeitswelt. EPU sind weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber – und gleichzeitig sind sie beides in einem. Und sie werden immer mehr (derzeit sind es schon über 300.000).
Ihre Probleme sind deshalb oft so groß und gleichzeitig so schwer lösbar, weil unser derzeitiges System auf dem Gegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, vertreten durch die Sozialpartner, beruht. Im ständigen Hickhack zwischen den beiden Seiten werden Gesetze beschlossen oder verhindert, in der Überzeugung, dass, was der einen Seite nützt, der anderen natürlicherweise schaden muss. Und wenn die eine Seite sich eine Verbesserung herausverhandelt, muss die andere im Gegenzug auch ein Zugeständnis bekommen ...
Weil EPU beide Positionen in einer Person vereinen (sie sind ja ihre eigenen Arbeitgeber), sind sie von diesem Hickhack ständig betroffen. Weil sie aber gleichzeitig keine der beiden Rollen wirklich im klassischen Sinn ausfüllen, werden sie mit ihrer speziellen Lebensrealität von der Gesetzgebung völlig ignoriert.
Die Arbeitswelt hat sich verändert. Jetzt muss sich das System daran anpassen.
Abgabensystem aus dem Gleichgewicht – auch für Arbeitnehmer!
Die EPU haben auch ein zweites Thema sichtbar gemacht: Nämlich, was in unserem Abgabensystem unrund läuft. Denn im Gegensatz zu Arbeitnehmern sehen Selbstständige jedes Jahr genau, wie viel des erarbeiteten Einkommens an Sozialversicherung und Steuern abgeführt werden muss. Allerdings können EPU, genau wie Arbeitnehmer, die Steuerbegünstigungen – die für große Konzerne eingeführt wurden – nicht nützen.
Beispiel Arbeitnehmer: 2,1 Millionen unselbständig Erwerbstätige in Österreich verdienten 2014 weniger als 19.100 Euro netto pro Jahr – und zahlten trotzdem ihre rund 35 bis 41 % an Abgaben. – Ohne es zu wissen, denn die Hälfte ihrer Abgaben wurde als „Dienstgeberbeitrag“ verschleiert. (Quelle: Statistik Austria, Branchenüberblick. Errechnet mit Brutto-Netto-Rechner auf FinanzOnline.)
Beispiel Selbständige: Im Jahr 2013 hatte die Hälfte der ausschließlich selbständig Erwerbstätigen, nämlich 233.100 Menschen, weniger als 10.806 Euro im Jahr an Einkommen (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge). Auch sie haben bereits brav ins Sozialversicherungssystem eingezahlt. (Quelle: Statistik Austria, Branchenüberblick)
Diesen insgesamt rund 2,3 Millionen Menschen, die von ihren ohnehin geringen Einkommen immer noch in das Sozialwesen einzahlen, stehen zum Beispiel große Konzerne gegenüber, die „steuerschonende Maßnahmen“ bis zur Perfektion treiben. Steuergeld wandert ab, wodurch auch unserem Sozialsystem immer mehr Mittel fehlen. Schätzungen zufolge entgehen den Volkswirtschaften weltweit Billiarden durch Steuerflucht der Konzerne. Geld, das man sich schließlich bei denen holt, die greifbar sind, also bei uns wenig- und mittelverdienenden Arbeitnehmern und Selbständigen.
Es ist Zeit für ein neues, gerechtes Abgabensystem. Nicht nur für Kleinstunternehmer(innen), sondern für alle Menschen, die in Österreich arbeiten oder auf andere Weise Geld verdienen.
Es freuen sich auf eine angeregte Diskussion und viele Ideen:
Die Amici delle SVA
(Initiative für ein gerechtes Sozialversicherungssystem für Selbständige)
www.amicidellesva.at
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